2013-11-30

Begegnungen eines Backpackers II

"Sag mir nicht, wie alt du bist und sag mir nicht, wie gut du erzogen bist. Sag mir, wie weit du gereist bist und ich sage dir, was du weißt."

Ein Zitat, das dem Propheten Mohammed zugesprochen wird und das ich hier mal frei übersetzt habe, soll den zweiten Teil meiner Zusammenfassung spannender Begegnungen einleiten.

Der alte Schweitzer

Er war es, mit dem ich durch dieses an der Hostelwand geschriebene Zitat ins Gespräch gekommen bin. Er war vor 37 Jahren im Hindukusch unterwegs und hat darüber erzählt, wie sich das Reisen heutzutage von dem damaligen doch unterscheidet, beispielsweise durch das Internet und die vielfältigen Möglichkeiten zum kontaktieren der Familie und Freunde. Damals war er einfach mal für ein paar Monate weg und die Familie hat eben ein paar Monate nichts von ihm gehört. Wie alt er war und was er sonst so beruflich gemacht hat: Keine Ahnung. Er weiß es aber auch von mir nicht. Gemäß des obigen Zitates haben wir uns über ganz andere Dinge unterhalten. Das schöne daran war, dass das Gespräch auf einer Ebene stattgefunden hat. Witzig fand ich auch, dass er sich über seine Familie mockiert hat, die ihn doch davon abhalten wollten, alleine nach Paraguay zu fahren, weil es doch angeblich viel zu gefährlich sei: "Die haben doch keine Ahnung wie es da draußen wirklich abgeht, sie verreisen ja selbst kaum. Ferndiagnosen kann jeder stellen". Ich unterschreibe das sofort. Neben uns saß noch ein Berliner Doktorand der im Rahmen eines Austauschs so seine ersten Erfahrungen im fernen Ausland sammelte. Mit unseren Reiseerfahrungen und -vorhaben war er sichtlich überfordert und hat dies auch zum Ausdruck gebracht. Die trockene Antwort des Schweizers: "Siehst du, du musst an deinem Leben etwas ändern". Coole Socke, so will ich später auch mal sein...

Colin

Engländer, der sich selbstständig gemacht hat, um besser reisen zu können. So müsse er nur vier Jahre arbeiten, um dann ein Jahr verreisen zu können. Vor fünf Jahren war er somit in Südostasien. Jetzt ist er in Südamerika. In vier Jahren will er dann nach Afrika. Auch ein interessanter Lebensentwurf. Wir haben uns über die Akzente in der englischen Sprache lustig gemacht. Den deutschen, den französischen, den italienischen, den indischen,... Witzigerweise habe ich genau nach dieser Unterhaltung abends im Hostel auch zum ersten Mal einen französischen Akzent im Spanisch herausgehört. Wie man das Unterbewusstsein doch beeinflussen kann...

Rita

Chilenen, die vor 19 Monaten mit ihrem Freund aufgebrochen ist nach Mexiko und eigentlich nur drei Monate verreisen wollte. Es kann ja auch mal ein bisschen länger werden. Sie machen das überwiegend per Couchsurfing und als Tramper. Jetzt geht ihnen aber das Geld aus und sie wollen zurück und ein klein bisschen zu arbeiten, um dann wieder aufzubrechen. Falls sie das wirklich schafft, kann ich sie nächstes Jahr in Chile besuchen, ich zweifel aber daran. Es wäre bei ihr ja nicht das erste Mal, dass es noch ein bisschen länger dauert. Auf jeden Fall konnte man ihre in der Zwischenzeit entwickelte Tiefenentspanntheit greifen. Längere Reisen verändern einen Menschen doch enorm und machen manchmal auch süchtig nach mehr...

Die ausgewanderte Londonerin

Sie war schon älter und hat nahezu auf jedem Kontinent der Welt gelebt. Aktuell lebt sie in Liberia. So richtig greifen konnte ich sie nicht. Interessant fand ich aber, dass sie mir Folgendes erzählte: "Es gibt zwei Sorten von Londoner: Die einen, die aus London kommen und nicht mehr dort leben, oder die, die dort leben, aber nur zugezogen sind". Das ist mir vorher noch nicht aufgefallen, das muss ich mal beobachten...

Rachel

Ursprünglich aus Malaysia (Borneo), lebt und arbeitet aber in London. Mein neuestes Vorurteil wurde also direkt bestätigt. Als sie mich gebeten hatte ein Foto von ihr zu machen, habe ich sie (halb als Verarsche) gefragt ob ich (ganz Asiaten-typisch) ein Jump-Foto von ihr machen solle. Damit hatte ich plötzlich ein Stein in ihrem Brett. Sie meinte, sie sei deswegen vollkommen überrascht gewesen, wie gut ich trainiert worden sei. Im übrigen hatte sie mich auf 30+x Jahre geschätzt. Zwei Tage vorher wurde ich noch auf 20 geschätzt. Was zwei Tage Bartwuchs ausmachen können. Auf jeden Fall hatten wir uns ganz gut verstanden, sie hatte mir ein bisschen Singapur-Feeling nach Südamerika gebracht...

Justin

Amerikaner, der so ziemlich untypisch für Amerikaner jede Möglichkeit zum verreisen nutzt. Drei Jahre hat er in Japan gearbeitet, aber nur um von dort Asien bereisen zu können. Jetzt hat er gekündigt und nimmt den "Long Way Home". Bevor er nach Südamerika kam, war er noch in Europa unterwegs. Bei einem dreimonatigen Visum käuft man sich am besten ein dreimonatiges Zugticket für alle Züge in Europa. Er musste für seinen Weiterflug von Zürich nach Amsterdam und nahm einfach den "Long Way", also über diverse Länder südöstlich von Deutschland. Bei allem was er schon gesehen hat in den USA, in Asien und in Südamerika, hat er doch am meisten von den jungen Staaten in Europa geschwärmt. Nicht das Taj Mahal oder die Chinesische Mauer, sondern der Balkan ist das Ding für ihn gewesen. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich gutes über diese Region höre, aber in dieser Intensität hat er mir vielleicht die Antwort darauf gegeben, wohin meine nächste größere Reise mich hinführen könnte...

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