2014-01-22

Puerto Natales

Nachdem ich also am Ende der Welt war, musste ich mich wieder aufmachen in Richtung Norden. Diesmal wollte ich Patagonien jedoch auf der chilenischen Seite durchqueren und mir die dortigen Attraktionen selbstverständlich nicht entgehen lassen. Der erste Hafen den ich angesteuert habe, war Puerto Natales.

Puerto Natales ist der Ausgangspunkt, um mit Bus und Boot zum Nationalpark Torres del Paine zu gelangen. Das ist der Bruderpark des argentinischen Nationalparks Los Glaciares. Ob großer oder kleiner Bruder, lässt sich vielleicht streiten. Lonely Planet hypt den Park jedoch als den besten in ganz Südamerika. Den Hype konnte ich natürlich nicht an mir vorbeiziehen lassen. Das musste ich mir schon selbst reinziehen.

Was man in dem Park macht ist klar: Man geht auf einen Hike. Ich habe mich für die weltbekannte Standardroute entschieden: Das sogenannte 'W'. Das dauert 5 Tage und nennt sich so, weil die Route, die man läuft, die Form eines W hat. Die einzige Stilfrage dabei war von West nach Ost oder umgekehrt. Der Vorteil im Westen zu starten ist, dass man das Hauptziel, die Torres (die Türme) am Schluss sieht und somit bis zum Ende motiviert ist. Der negative Aspekt dabei ist allerdings, dass sich das Wetter maximal zwei bis drei Tage im Voraus halbwegs vorhersagen lässt. Wenn man im Osten startet, kann man den Start immerhin so legen, dass man bei gutem Wetter an den Torres ankommt. Im Hostel wurde mir jedoch West nach Ost empfohlen und so wollte ich das dann auch machen. Zwei Tage hatte ich gewartet, weil schlechtes Wetter war, dann bin ich losgezogen.

Man kann sich entweder in Refugios einnisten, wenn man zuviel Geld hat, oder aber man leiht sich ein Zelt aus und geht campen. Ich habe mir alles gemietet (Zelt, Isomatte, Gasbrenner, Kochset), Essen für 5 Tage eingepackt (Erdnüsse, Schokolade, getrocknete Früchte, Müsliriegel, Kuchen, Pitas, Spaghetti und Tomatensoße) und habe den Rucksack noch vor der Abreise gewogen: 17,7 Kilo. Damit lag ich ganz gut im Durchschnitt. Ob ich jedoch bereit war für eine fünftägige Tour mit knapp 70 Kilometern und insgesamt vielleicht 2500 Höhenmetern, das wusste ich nicht. Das musste ich rausfinden. Die Landschaft motiviert allerdings auch zum Wandern.

Im linken Flügel des W läuft man geradewegs auf einen Gletscher zu und damit voll in den Wind hinein. Das war gar nicht ohne, da ist es schon schwer gefallen geradeaus zu laufen.

Ich habe einen Specht entdeckt, der sich an einem Baum zu schaffen gemacht hat. Durch die Entdeckung habe ich auch andere Touris glücklich gemacht. Das war schon lustig anzusehen, mit welcher Kraft der Vogel den Baum zerstört hat.

Hier ist also Beweisfoto Nummer Eins: Den linken Teil des W bin ich bis zum Ende gelaufen. Für das Beweisfoto habe ich dann sogar die Mütze abgenommen. Ganz in der Nähe habe ich auch gecampt. Mit meinem eigenen (Sommer-)Schlafsack. Dafür bin ich zwar schon ausgelacht worden, aber den Schlafsack unterschätzen einige, der kann was.

Am zweiten Tag musste man dann erst einmal den linken Flügel des W zurücklaufen und zur Abzweigung des mittleren Teils gehen. Der mittlere Teil führt in ein Tal zwischen zwei Bergketten. Man ist also auf die so einzigartig ausschauenden Berge zugelaufen.

Der Hype um diesen Park ist wirklich gigantisch. Die Campingplätze hatten nicht mehr viel mit Wald zu tun, sondern waren eher reine Zeltstädte. Hunderte von Leuten waren unterwegs. Alle ausgestatten mit Funktionswäsche bis auf die Zähne. Schuhe, Hardshell-Jacken, Trekking-Hosen, Mützen und Raincover für die Rucksäcke sind ja Standard. Manche aber hatten z. B. Handschuhe, die wahrscheinlich mehr als meine Kamera gekostet haben. Im Rüstungswettkampf habe ich auch von neuen Schlafsäcken im Wert von 400 Euro gehört. Mir kam es fast so vor, als gäbe es den Park nur um Goretex zu vermarkten. Die reinste Materialschlacht. Wenn man dann die ganzen bis oben ausgerüsteten Leute auf einem Haufen gesehen hat, war das schon ein lustiger Anblick.

Den dritten Tag läuft man dann also den mittleren Teil des W hinein und auch wieder heraus. Der Vorteil dabei: Man braucht den Rucksack nicht mitschleppen. Der Blick auf das Tal war ganz nett.

Hier ist das zweite Beweisfoto: Ich inmitten der Bergkette. Auch dafür habe ich meine Mütze gezogen.

Am dritten Tag konnte man anschließend noch ein kleines Stückchen weiter in Richtung Osten laufen. Somit musste man immerhin nicht zweimal auf dem gleichen Campingplatz übernachten. Hier sieht man mich also mit meinem geliehenen Zelt, meiner zum Trocknen aufgehangenen Wäsche und der überragenden Landschaft. Angeblich soll es hier ja eine große Puma-Population geben. Eine Backpackerin schwört sogar, einen gesehen zu haben. Die lassen sich normalerweise aber nicht blicken, die sind viel zu scheu. Kein Wunder bei der Masse an Touris, die hier entlangkommen. Da würde ich mich auch nicht blicken lassen. Ich hätte aber auch gerne einen gesehen, dass muss ich ja schon gestehen.

Nicht immer sah der Weg so großartig einfach aus. Man konnte wirklich sehen, dass der Park unter der Masse an Touristen leidet. An vielen Stellen war der Weg eine Art Bach und neue Trails sind rechts und links davon entstanden. Viele Schlammgruben sind entstanden. Teilweise war das dann auch gar nicht so einfach zu laufen.

Der vierte Tag hat motiviert wie man es kaum beschreiben konnte. Es war zwar die längste Etappe und ging permanent bergauf, aber man konnte zum Basecamp an den Torres kommen (hinter diesem Tal). Ich bin so früh losgelaufen (7:30 Uhr), dass ich schon um 15:00 Uhr mein Zelt dort stehen hatte. Weil das Wetter gut war, habe ich mich entschlossen, das letzte Stück vorzuziehen und nicht erst am nächsten Tag zu machen.

Die Entscheidung war goldrichtig: Ich konnte die Torres (die Türme) in ihrer vollen Pracht sehen. Am nächsten Tag hat es morgens geregnet. Spätestens da hatte sich die Entscheidung dann als richtig herausgestellt. Den Rückweg kann man auch im Regen laufen, aber das hier, hätte ich ungern verpassen wollen. Einfach überragend dieser Ort.

Da ist also das Beweisfoto Nummer Drei: Ich an den Torres del Paine. Meine Haare hatten vier Tage kein Shampoo gesehen, meine Füße hatten schon über 60 Kilometer in den Beinen. Alleine an diesem Tag bin ich fast 20 Kilometer mit über 800 Höhenmetern bergauf gelaufen. Mein Fleece hatte vier Tage Dauerschweiß in sich aufgesaugt und ich habe den Geruch beim Anblick des Fotos immer noch in der Nase. Die Erschöpfung kann man mir ganz gut im Gesicht ablesen. Das Gefühl jedoch, anschließend an so einem Ort anzukommen ist unbeschreiblich. Mit Verachtung habe ich auf die ganzen Touristen geblickt, die auf einer Tagestour unterwegs waren und noch genügend Kraft fürs Posing (Jump-Pictures) hatten. Ich bin lieber unter den Leuten geblieben, die einfach nur entspannen wollten, weil sie gerade den letzten Teil des W geschafft hatten. Das hat sich enorm gut angefühlt.

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